Wels (pts026/06.05.2020/13:00) – Ein Spielsüchtiger wandte sich mit einer Anfrage und Bitte um Hilfe an das Büro des österreichischen Bundespräsidenten. Dessen Büro leitete seine Anfrage an das Finanzministerium weiter. Das Finanzministerium leitete dasselbe E-Mail an das in der ursprünglichen Nachricht gegenständliche Unternehmen, Casinos Austria, weiter. Diese Weiterleitungen geschahen wohlgemerkt ohne das Einverständnis von ihm als Absender, so versichert er.
Beantwortung der Anfrage sorgt für Staunen
Die erhaltene Antwort vom Bundesministerium für Finanzen liegt uns vor. Diese Beantwortung ist brisant, denn das Ministerium unternimmt den Versuch, die Online-Glücksspiel-Plattform „win2day“ pauschal für mögliche Schadenersatzforderungen seitens Spielern in Schutz zu nehmen.
Das Finanzministerium teilt in der Beantwortung mit: „§ 25 GSpG (Paragraph 25 des Glücksspielgesetzes, Behandlung von Schadenersatzansprüchen für Spielsüchtige, Anm.) ist aber auf Elektronische Lotterien – wie diese durch die Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H auf http://www.win2day.at durchgeführt werden – nicht anwendbar, da dort a priori eine Vielzahl von Spielerschutzmechanismen eingerichtet sind (Dotationshöchstlimit pro Woche, personalisierte Spielzeit- und Einsatzlimits, Zeitpuffer für Wirksamwerden von Limiterstreckungen, Spielsuchttests, Selbstsperren etc.)“, so das Ministerium.
Keine Schadenersatzforderungen gegenüber „win2day“ möglich
Die Behauptung, dass Schadenersatzforderungen gemäß dem Glücksspielgesetz, geregelt im §25 des Glücksspielgesetzes, bei win2day nicht möglich sind, ist schon brisant.
Auf Anfrage beim Ministerium gab man uns bekannt, dass die auf der Online-Plattform eingerichteten Spielerschutzmaßnahmen zertifiziert sind. Außerdem sind die Spielerschutzstandards der Glücksspielbetreiber Teil eines regelmäßig stattfindenden, fachlichen Austauschs zwischen dem Ministerium und den konzessionierten Betreibern, so das Ministerium.
Die Zertifizierungen
Die Österreichischen Lotterien haben für ihre Plattform win2day tatsächlich Zertifizierungen durchlaufen. Dennoch muss die Frage gestellt werden, weshalb das Finanzministerium hier pauschal versucht, einen Anbieter in Schutz zu nehmen. Denn es existiert keine Datenverbindung zwischen der Online-Plattform und dem Finanzministerium. Wie auch bei anderen Angeboten von lizenzierten Glücksspielbetreibern in Österreich, ist dieses Angebot für das Finanzministerium eine Blackbox. Die Daten wie Gewinn- und Verlustrechnungen, Spielhäufigkeit sowie die generellen Daten der Spieler liegen in der alleinigen Hoheit des Betreibers. Es findet keine Einzelfallprüfung einzelner Spieler von externen, unabhängigen Experten statt. Doch solch eine Prüfung könnte feststellen, ob es trotz aller Vorkehrungen wie den Zertifizierungen in Einzelfällen ein zu spätes Reagieren im Rahmen des Spielerschutzes gab.
Es kann bei der Ausführung der Spielerschutzmaßnahmen im Hintergrund in der Fachabteilung zu Versäumnissen kommen. Denn schlägt beispielsweise ein Alarm-Limit für einen Kunden an, der übermäßig und in großem Ausmaß online spielt, muss letztlich auch (schnell) reagiert werden. Und dies geschieht ausschließlich durch die Responsible Gaming Abteilung der Österreichischen Lotterien. Damit soll gesagt sein: Theoretisch kann es jederzeit zu einem Fall kommen, der trotz Auffälligkeit oder plötzlich veränderter finanzieller Lage, nicht in seinem Spiel beschränkt und dadurch in seinem Existenzminimum gefährdet wird, daher sehr wohl das Recht auf eine Schadenersatzforderung hat. Entgegen der Aussagen des Finanzministeriums. Es darf nicht vergessen werden, es handelt sich um ein Suchtverhalten, in dem viele Süchtige nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu kontrollieren.
Wir fragten bei den Österreichischen Lotterien um eine Stellungnahme dazu an, unsere Anfrage blieb jedoch unbeantwortet.
Die Interessen des Finanzministeriums
Umso mehr ist es unverständlich, diese Frage muss erlaubt sein, weshalb das österreichische Finanzministerium, das auch für den Spielerschutz von Spielsüchtigen in Österreich verantwortlich ist, grundsätzlich eine Schadenersatzfrage als unzulässig sieht, beziehungsweise welche Interessen hiermit verfolgt werden, eine solche Antwort zu übermitteln. Schließlich liegt die Frage der Zulässigkeit einer Schadenersatzforderung nicht im Aufgabenbereich des Finanzministeriums.
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